Im Frühjahr sollte zu einer Wanderung im Harz natürlich die Drohne mitkommen, um die schöne Landschaft zu begutachten — und schon das machte die Sache kompliziert, denn erstens ist die ehemals schöne Landschaft mittlerweile von Dürre und Borkenkäfer gezeichnet, zweitens gibt’s dort eine einige Eisenbahnanlagen und drittens bewegt man sich im Harz entweder in einem Nationalpark oder einem Landschaftsschutzgebiet.
Drohnenflüge im Landschaftsschutzgebiet
Fangen wir einmal ganz von vorne an: Drohnenflüge „im Harz“ sind nicht grundsätzlich verboten. Ein Flugverbot kraft § 21h Abs. 3 Nr. 6 LuftVO besteht lediglich im Nationalpark Harz, der einen großen Teil des Gebietes rund um den Brocken bedeckt und der, was für Eisenbahnfotografie ganz wesentlich ist, erst ab Drei Annen Hohne beginnt.
Im restlichen Harz gibt es einige weitere mittelgroße und viele kleinere, stark verästelte Naturschutz-, Vogelschutz- oder FFH-Gebiete, in denen Drohnen ebenfalls nichts verloren haben. Genannt sei hier exemplarisch das Naturschutzgebiet „Harzer Bachtäler“, das sich in einem Dreieck zwischen Braunlage, Stadt Benneckenstein und Stadt Elbingerode erstreckt, wobei lediglich die einzelnen Flussläufe geschützt sind, was auf den einschlägigen Karten ganz lustig aussieht.
Der Rest der Gebirgslandschaft wird allerdings „nur“ von einigen Landschaftsschutzgebieten geschützt. Der wesentliche Unterschied zu den anderen Schutzgebieten ist, dass Landschaftsschutzgebiete von den jeweiligen Landkreisen eingerichtet werden. Jedes Landschaftsschutzgebiet bringt seine eigene Verordnung mit, die genau aufzählt, was der Schutzzweck des Gebietes ist und eine mehr oder weniger lange Liste an Verboten enthält und was man dort tun und lassen darf und wofür eine Genehmigung der Unteren Naturschutzbehörde notwendig ist.
In der Nähe der Brockenbahn bewegen wir uns hier im Landschaftsschutzgebiet „Harz und nördliches Harzvorland im Landkreis Wernigerode“, dessen Verordnung in § 5 Abs. 1 Nr. 10 untersagt, ohne Erlaubnis „Modellflugplätze anzulegen oder motor- bzw. raketenangetriebene Modellflugzeuge außerhalb von zugelassenen Modellflugplätzen zu betreiben; auf dafür nicht ausgewiesenen Startplätzen Hängegleiter, Gleitsegler, Drachenflieger, Ballons, Segelflugzeuge, Motorflugzeuge, Hubschrauber, Ultraleichtflugzeuge und dergleichen zu starten, ausgenommen nach einer Sicherheitslandung entsprechend § 25(2) Nr. 2 LuftVG“.
Nun ist allerdings eine Drohne definitiv kein Modellflugzeug, nicht auf einen Modellflugplatz angewiesen und ist schon gar nicht vergleichbar mit einem bemannten Fluggerät aus dem Rest der Aufzählung. Insofern erkenne ich zwar durchaus den Willen des Landrates, dass im Landschaftsschutzgebiet nicht herumgeflogen werden soll, allerdings entdecke ich kein Verbot von Drohnenflügen.
Und praktischerweise hat das Bundesverwaltungsgericht im Januar 2023 bekräftigt, dass der Bund laut Art. 73 Abs. 1 Nr. 6 GG die ausschließliche Gesetzgebung über den Luftverkehr habe (BVwerG 7 CN 1.22). Das bedeutet auch, dass den Flugverkehr einschränkende Regelungen aus den LSG-Verordnungen tatsächlich unwirksam sind, weil der Luftverkehr lediglich durch Gesetzgebung auf Bundesebene eingeschränkt werden kann.
Ganz unabhängig davon — und ganz egal ob Landschaftsschutzgebiet oder nicht — halte ich es natürlich dennoch für sinnvoll, weder Tieren noch Menschen über Gebühr auf die Nerven zu gehen. Ich kann es mit mir selbst gut vereinbaren, meine Drohne im Herbst für ein paar gute Fotos oder vielleicht auch Videos ein paar Minuten fliegen zu lassen, halte aber Drohnenflüge in der Hauptsaison in der Gegend beliebter und vor allem belebter Wanderwege für problematisch.
1:1-Regelung an der Brockenbahn
Für Fotografen und Fernpiloten sind die Harzer Schmalspurbahnen mit ihren prächtigen Dampflokomotiven mehr das Ziel als der Weg, die HSB haben für diese Zielgruppe sogar einige Informationen für Hobbyfotografen und -Filmer bereitgestellt. Dort heißt es unter anderem:
Der Betrieb von unbemannten Luftfahrtsystemen (z. B. Drohnen für Foto- und Videoaufnahmen) sowie Flugmodellen ist gemäß der Verordnung zur Regelung des Betriebes von unbemannten Fluggeräten über und in einem seitlichen Abstand von 100 Metern von Bahnanlagen der Harzer Schmalspurbahnen verboten.
Das ist in dieser Form weder ganz falsch noch ganz richtig. Bis Juni 2021 sah die Luftverkehrs-Ordnung in damaligen § 21b Abs. 1 Nr. 5 LuftVO einen Mindestabstand von 100 m zu Bahnanlagen vor. Mittlerweile ist hier § 21h Abs. 3 Nr. 5 LuftVO einschlägig, der außerdem Flüge innerhalb der so genannten „1:1-Regelung“ zulässt, nach der ab einem Abstand von mindestens zehn Metern geflogen werden darf, solange die Flughöhe der Drohne geringer ist als der Abstand der Drohne zur Eisenbahnanlage.
Das ist ein nicht ganz unerhebliches Detail, denn unter Berücksichtigung der 1:1-Regelung lassen sich plötzlich eine ganze Menge schöner Motive entlang der Brockenbahn fotografieren.
Ich kann mir vorstellen, dass die HSB im Alltagsgeschäft andere Prioritäten haben als eine Seite für Hobbyfotografen auf dem rechtlich aktuellen Stand zu halten. Andererseits ist es aus Sicht eines Bahnbetreibers auch gar nicht schlecht, insbesondere unerfahrene Fernpiloten mit der Proklamation einer restriktiveren Regelung für Drohnenflüge davon abzuhalten, ihre gerade neu gekauften Drohnen im Schornstein einer Dampflokomotive zu platzieren.
Ist eine Schmalspurbahn überhaupt eine Eisenbahn?
Es gibt noch ein ganz interessantes Detail: Auf den einschlägigen Kartenmaterialien für Drohnenflüge sind die Harzer Schmalspurbahnen gar nicht eingezeichnet — und das gilt auch für andere Schmalspurbahnen, etwa die Bäderbahn Molli oder den Rasenden Roland, sowie für alle Straßenbahnen unabhängig von ihrer Spurweite.
Das brachte mich zu der Idee, dass die Luftverkehrs-Ordnung unter einer Eisenbahnanlage vielleicht nur „echte“ Eisenbahnen versteht, die im Geltungsbereich der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) verkehren und nicht unter die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung für Schmalspurbahnen (ESBO) oder die Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen (BOStrab) fallen.
Ein Blick ins Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) hilft nicht so richtig weiter. § 1 Abs. 2 AEG erklärt tatsächlich, dass das Gesetz nicht für Straßenbahnen gilt, und definiert in § 2 Abs. 6a AEG, dass als Eisenbahnanlage zu verstehen ist, was in Anlage 1 des Eisenbahnregulierungsgesetzes aufgeführt ist. Da steht leider nicht mehr drin als was ich ohnehin schon weiß.
Allerdings nennt das ERegG mehrfach Ausnahmen für Schmalspurbahnen, unter anderem in § 2 ERegG, was mich vermuten lässt, dass es insgesamt tatsächlich auch für Schmalspurbahnen gilt und demnach auch eine Schmalspur-Eisenbahnanlage eine „echte“ Eisenbahnanlage wäre.
Ich als Laie verstehe es momentan so, dass eine Straßenbahn tatsächlich keine Eisenbahnanlage ist, weil § 1 Abs. 2 AEG nicht für Straßenbahnen gilt, eine Schmalspurbahn hingegen schon. Das setzt natürlich voraus, dass die Luftverkehrs-Ordnung mit dem Begriff „Eisenbahnanlage“ tatsächlich an die einschlägigen Gesetzestexte anknüpft und darunter nicht einfach „irgendwas mit zwei parallel verlaufenden Schienen“ versteht.
Insofern halte ich es für ungünstig, dass die beiden anderen Begriffe für Geozonen in § 21h Abs. 3 LuftVO eindeutig definiert werden, nämlich „Bundesfernstraße“ im Bundesfernstraßengesetz (FStrG) und „Bundeswasserstraße“ im Bundeswasserstraßengesetz (WaStrG), bei der „Eisenbahnanlage“ hingegen unklar bleibt, welche Definition hier genau greifen soll.
Falls jemand mehr weiß: Drüben im Drohnen-Forum gibt es eine kurze Diskussion zu dem Thema, die für weitere Denkanstöße dankbar ist.
Sorgenfrei fliegen mit Allgemeinerlaubnis
Da der Sachverhalt für mich als Laie nicht zu klären war, habe ich mich letztendlich für 50 Euro aus der Problematik herausgekauft.
Die Luftfahrtbehörden von acht Bundesländern bieten eine so genannte Allgemeinerlaubnis für Drohnenflüge an, mit der Flüge in bestimmten Geozonen pauschal genehmigt werden — unter anderem werden Flüge über Bundeswasserstraßen, Bundesfernstraßen und Eisenbahnanlagen unter gewissen Auflagen möglich.
Bei Eisenbahnanlagen ist ein vertikaler Abstand von fünf Metern zu Oberleitungen einzuhalten und ein vertikaler Abstand von fünf Metern zu gesperrten Gleisen. Was dann bei nicht-gesperrten Gleisen ohne Oberleitung gilt, mag sich jeder selbst überlegen. Ich halte einen großzügigen Abstand zu Zügen ein und hoffe darauf, dass das Zugpersonal meine Drohne im besten Fall gar nicht bemerkt, dann kann sich auch niemand irritiert fühlen.
Jedes Luftfahrtbehörde bringt in seiner Allgemeinerlaubnis noch eine Handvoll so genannter landesspezifischer Nebenbestimmungen mit, die einzelne Genehmigungen an zusätzliche Auflagen knüpfen, die sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden.
Für Fernpiloten ist ganz wesentlich, dass die vielen schönen Möglichkeiten einer Allgemeinerlaubnis mit der Auflage einhergehen, mit den zuständigen Ordnungsbehörden zu sprechen. In Sachsen-Anhalt gilt eine recht umgängliche Regelung, es sind Flüge innerhalb geschlossener Ortschaften rechtzeitig anzuzeigen. Da ich mich zwischen Wernigerode und Drei Annen Hohne ganz offensichtlich außerhalb geschlossener Ortschaften befinde, komme ich nicht in die Verlegenheit, mit dem Amt zu diskutieren, ob das mit der Drohne denn wirklich sein müsse.
Sachsen-Anhalt nutzt außerdem seine landesspezifischen Nebenbestimmungen, um den Drohnenflug über Eisenbahnanlagen einzuschränken. Die Mindestflughöhe beträgt 15 m über den Schienen, der Überflug ist auf das Notwendigste zu beschränken und muss ohne Pausen überhalb der Anlagen stattfinden. Ein Überflug von fahrenden Zügen ist nicht gestattet, es muss überdies ein Mindestabstand von mindestens zehn Metern eingehalten werden.
Mir ist nicht klar, warum Sachsen-Anhalts Allgemeinerlaubnis restriktivere Regelungen für Drohnenflüge als andere Bundesländer mitbringt, aber für schöne Fotos reicht’s ja locker aus: Ich kann mit der Drohne kurz über die Schienen drüberhuschen und fotografiere von links und rechts der Eisenbahnanlagen mit einigen Abstand, komme aber sehr viel näher dran als es mit der 1:1-Regelung möglich wäre.
Allein schon der Überflug der Gleise ist viel wert, um die Züge „von der anderen Seite“ knipsen zu können. Die Strecken der Harzer Schmalspurbahnen verlaufen teilweise entlang von steilen Hängen, von einem Wanderweg lediglich auf einer Seite begleitet. Um den Zug von der anderen Seite zu fotografieren, müssen Fernpiloten ohne Allgemeinerlaubnis geradezu absurd lange Umwege bis ins Tal marschieren, um von dort aus die Drohne wieder bergauf fliegen zu lassen.
Die Allgemeinerlaubnis für Drohnenflüge kostet für das erste Bundesland 200 Euro und gilt für zwei Jahre. Die Anerkennung dieser Allgemeinerlaubnis in weiteren Bundesländern gibt’s für jeweils 50 Euro. Voraussetzung für die Beantragung der Allgemeinerlaubnis ist allerdings das A2-Fernpilotenzeugnis.